Oberflächennahe und tiefe Geothermie

Geothermie – Tiefe Geothermie – Oberflächennahe Geothermie

Geothermie wird allgemein in eine oberflächennahe Geothermie und eine Tiefengeothermie unterteilt. Oberflächennahe Geothermie betrifft Heizen und Kühlen mit Energie aus dem Untergrund bis in Tiefen von einigen hundert Metern (etwas willkürlich meist bis 400 m). Geologie und Hydrogeologie gehören zu den bestimmenden Faktoren, und im selben Maße ist die Geophysik betroffen, die der Geologie und Hydrogeologie hilft, in den Untergrund zu schauen als Voraussetzung für einen ökonomisch und ökologisch gesicherten Anlagenbau.

Tiefengeothermie erschließt im allgemeinen wesentlich größere Tiefen und dementsprechend Bereiche, in denen Temperaturen bis 100°C und weit darüber angetroffen werden können. Hydrothermale Geothermie nutzt dabei mit einer Tiefbohrung geförderte heiße Wässer, die in ein Fernwärmenetz eingespeist und nach Wärmeentzug und Auskühlung über eine Schluckbohrung wieder in den Untergrund verbracht werden. Nutzung geothermischer Energie (z.B. mit dem Hot-Dry-Rock (HDR)-Verfahren) zur Stromerzeugung geht vielfach noch weiter in die Tiefe, weil sich erst bei den dort herrschenden hohen Temperaturen ein wirtschaftlicher Gewinn erzielen lässt. Erschließungstiefen von einigen 1000 Metern sind dabei die Regel, und da entsprechend tiefe Bohrungen sehr gezielt auf geeignete geologische Strukturen abgeteuft werden müssen, ist eine aufwändige geophysikalische Untersuchung Grundvoraussetzung. Tiefengeothermie bedeutet deshalb Tiefenseismik mit sehr kostenintensiven reflexionsseismischen 2D- oder 3D-Messungen.

Bei Erdöl-/Erdgasbohrungen überall auf der Welt werden vor der Seismik, die bei Tiefbohrungen überhaupt nicht wegzudenken ist, im allgemeinen kostengünstige Übersichtsmessungen der Geophysik durchgeführt, um die generellen geologischen Strukturen zu erkunden und um die Seismik sinnvoll an die Gegebenheiten anzupassen. Die Gravimetrie gehört ganz allgemein zum geophysikalischen Messinventar der Erdölindustrie.

Deshalb ist es nur einleuchtend, dass man sich auch in der Geothermie bei der Vorerkundung für die Tiefenseismik der Gravimetrie bedient, die unverständlicherweise immer noch sehr stiefmütterlich behandelt wird, obgleich mit ihrer Hilfe sowohl 2D- und 3D-Seismik wesentlich effektiver gestaltet werden können.

Stattdessen stößt man auf Planungsbüros für die Geothermie, die dem Auftraggeber eine vorherige 2D-Seismik mit nachfolgender 3D-Seismik empfehlen – eine offensichtlich völlig unsinnige Maßnahme. Insbesondere wenn nur die kostengünstigere 2D-Seismik erwogen wird, gibt die Gravimetrie mit einer flächigen Vermessungen ganz wesentliche Informationen für den Raum und die Strukturen zwischen den Profilen der 2D-Seismik (Streichrichtung von Störungen, mit der Seismik nicht erkannte profilparallele Verwerfungen etc.). Aber auch die 3D-Seismik profitiert von einer vorherigen Gravimetrie, wenn der generelle tektonische Bau des geologischen Untergrundes in seinen Grundzügen bekannt wird und das seismische Messnetz entsprechend sinnvoll ausgelegt werden kann. Die vielfach vorgebrachte Behauptung, die Gravimetrie löst keine Strukturen in den großen Tiefen der Tiefengeothermie auf, verkennt den völlig anderen Ansatzpunkt dieses Potentialverfahrens, das nicht die Seismik ersetzen sondern sie nur sinnvoll vorbereiten und ergänzen soll.

Neuere Literatur Geophysik und Geothermie

Artikel Ernstson, Kord & Alt, Wolfgang (2013): Gravity and geomagnetic methods in geothermal exploration: understanding and misunderstanding. – World of Mining – Surface and Underground 04/2013; Vol. 65(No. 2):115-122

Buchbeitrag Ernstson, K. (2014): Geologische und geophysikalische Untersuchungen. In: Handbuch Tiefe Geothermie. – Springer Spektrum,  Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2014, Ed.: M. Bauer, W. Freeden, H. Jacobi, T. Neu, S. 19-80.

 

NEUER UMFASSENDER HANDBUCH-ARTIKEL ZUR OBERFLÄCHENNAHEN GEOTHERMIE

Ernstson, K. (2018): Geologische und geophysikalische Untersuchungen. In: Handbuch oberflächennahe  Geothermie. – Springer Spektrum,  Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2018, Ed.: M. Bauer, W. Freeden, H. Jacobi, T. Neu, S. 67-220.

BEISPIELE AUS DER TIEFEN GEOTHERMIE

Tiefe Geothermie Oberrheintalgraben

Tiefe Geothermie Gravimetrie Oberrheintalgraben

Gravimetrie als geophysikalische Vorerkundung zur Tiefenseismik: Tiefengeothermie im Oberrheintalgraben. Das Bild zeigt in einer Pseudo-3D-Darstellung eine Schwerefläche, die primär den Kontrast der tertiären Grabenfüllung mit relativ geringer Dichte zum Kristallingestein mit hoher Dichte widerspiegelt. Man erkennt den großen Sprung an der Süd-Nord verlaufenden inneren Grabenrandverwerfung, die plötzlich mit einem scharfen Knick in eine ost-westliche Streichrichtung umbiegt, ferner eine Fülle weniger ausgeprägter tektonischer Strukturen.

Tiefe Geothermie alpine Molasse

Tiefe Geothermie Gravimetrie Alpine Molasse

 

Gravimetrie als Vorerkundung zur Tiefenseismik zeigt ein sehr komplexes Strukturmuster des Untergrundes auf.

Tiefengeothermie und Magnetfeldmessungen

In manchen Fällen der geophysikalischen Vorerkundung kann es sinnvoll, um nicht zu sagen zwingend sein, zusätzlich zur Gravimetrie Messungen der Magnetik durchzuführen. Das ist verständlicherweise in allen Vulkangebieten der Fall, wo die magnetischen Basaltgesteine maßgeblich den geologischen Untergrund bestimmen. Aber auch eher isolierte Basaltkörper können für die Interpretation einer Tiefenseismik und insbesondere für den Ansatz von Tiefbohrungen wichtig werden.

Im Zuge der Vorerkundung für eine Tiefenseismik: Karte magnetischer Anomalien im Oberrheintalgraben. Die deutlich positiven Anomalien (gelb – rot) zeigen einen Komplex vulkanischer Gesteine an, die nicht an der Erdoberfläche anstehen sondern in den tertiären Gesteinen der Grabenfüllung stecken. Eine Tiefbohrung von einigen tausend Metern sollte man tunlichst nicht über einem solchen Vulkanit abteufen.