Der klassische Einsatz der Geophysik geht zurück zum Anfang des 20sten Jahrhunderts, als in den USA den Erdöl-Geologen klar geworden war, dass Erdöl-Lagerstätten sehr häufig an Salzstöcke gebunden waren, und man in der Geophysik ein hervorragendes Mittel hatte, im Untergrund verborgene Salzstöcke zu lokalisieren. Zunächst waren es Schwerkraft-Messungen mit Pendeln und Drehwaagen, mit denen bereits sehr gut die deutlichen negativen Schwereanomalien von Salzstöcken erfasst werden konnte. Trotz der in der Folge entwickelten hochempfindlichen und weitaus rascher messenden Gravimeter hat die Gravimetrie später nie die Popularität der seismischen und geoelektrischen Verfahren, auch nicht der Geomagnetik erreicht, was in der praktischen Anwendung sicherlich damit zusammenhängt, dass die Messungen immer noch etwas aufwendig sind und geologische Strukturen vielfach erst nach einem aufwendigen Auswerteprozess sichtbar werden – ganz anders als in der Seismik, in der vielfach bereits die Rohdaten der Seismogramme echte geologische Strukturen erkennen lassen. In keinem Fall sollte die Gravimetrie gering geschätzt werden, da sie bei bestimmten Fragestellungen allein Lösungsmöglichkeiten anbietet. In der KWST-Exploration ist auch heute die Gravimetrie nicht wegzudenken, wenn sie als ein kostengünstiges Vorab-Verfahren als wichtige Vorbereitung aufwendiger seismischer 2D- und 3D-Messungen dient.
Hier soll gleich mit der Fehleinschätzung aufgeräumt werden, die häufig (insbesondere bei der Geothermie) gegen die Gravimetrie ins Feld geführt wird, dass nämlich mit der Gravimetrie in der Tiefe keine Strukturen mehr aufgelöst werden. Man könnte die Physik ins Feld führen und argumentieren, dass das Schwerepotential nicht in irgendeiner Tiefe, sondern erst im Unendlichen zu Ende ist. Das Auflösungsvermögen nimmt in der Tat in der Tiefe stark ab, aber Verwerfungen, vor allem wenn sie sich nach oben durchpausen, können durch geeignete Auswerteprozeduren schärfer herausgearbeitet werden.
Der entscheidende und meist übersehene Punkt ist jedoch, dass die Gravimetrie nicht mit der Seismik konkurrieren und sie eventuell sogar ersetzen soll. Seismik und Gravimetrie sind methodisch zwei völlig unterschiedliche Komplexe, und die Konsequenz heißt: nicht Seismik oder Gravimetrie sondern Seismik und Gravimetrie. Die Gravimetrie ist hervorragend geeignet, den generellen tektonischen Bau, wesentliche Störungen und ihre Streichrichtung sowie Auflockerungszonen erniedrigter Dichte aufzuzeigen. Mit der Gravimetrie lassen sich geologische Strukturen modellieren und Tiefenabschätzungen vornehmen. In günstigen Fällen kann auf eine 3D-Seismik ganz verzichtet oder ihr Umfang als Ergänzung zu einer 2D-Seismik stark reduziert werden.
Ein enormer Vorteil einer gravimetrischen Übersichtsvermessung ist, dass sie überall durchgeführt werden kann: mitten durch enge Straßen einer Stadt, inmitten sensibler Industrieanlagen, durch Krankenhausanlagen und Naturschutzgebiete. Es kann darüber hinaus durchaus Sinn ergeben, Gravimetrie nach einer (vor allem älteren) Seismik durchzuführen. Häufig gelingt es, Ungereimtheiten einer früheren 2D-Seismik-Auswertung (die immer wieder zu konstatieren sind) zu klären.